Der Weg zur Schwärzungskurve (3)

Dichte, Exposure

Nun ein Blick auf zwei reale Schwärzungskurven, wie sie z.B. von Agfa in den technischen Datenblättern für Agfa-Material veröffentlicht werden (wurden?).


Es handelt sich um die Schwärzungskurven des 100 ASA Film Apfapan APX 100 und seines Kollegen mit 400 ASA, dem APX 400. Die benutzten Entwicklungsbedingungen sind in dem Datenblatt nicht angegeben.

Was fällt auf?

Man kann deutlich die unterschiedlichen Empfindlichkeiten erkennen: Der Übergang von den „Unterschatten“ in die Schatten erfolgt bei dem 100 ASA Film weiter rechts, also im Bereich höherer Belichtung.

Die realen Kurven sind nicht so „eckig“ wie bisher gezeichnet, sondern in den Übergangsstellen gerundet. Sie zeigen den als ideal bezeichneten S-förmigen Verlauf.

Der 400 ASA Film zeigt für zunehmende Belichtung einen erst geraden und dann weiter in die Schwärzung verlaufen Bereich als der 100-er: Die rechte obere Ecke liegt höher.

Der 400-er hat einen geringeren Grundschleier (der gerade Teil in den „Unterschatten“) als der 100-er.



Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen?

  1. Der Übergang aus den „Unterschatten“ in den proportionalen Bereich ist nicht so abrupt wie in den auf den Vorseiten gezeichneten schematischen Zeichnungen.

  2. Der Belichtungsumfang, das ist die Differenz zwischen der miximalen und minimalen Belichtungsstärke (engl: exposure), für die die Schwärzungskurve Steigung hat, ist bei dem 400-er deutlich größer als bei dem 100-er:, nämlich ca. 1,5 - (-3) = 4,5 beim 400-er gegen 1,5 - (-2,5) = 4 beim 100-er, Das sieht wenig aus, ist aber schon fühlbar.

  3. Der Dichteumfang (max. - min. Dichte) ist beim 400-er größer als beim 100-er.

  4. Das bisher Festgestellte lässt eigentlich vermuten, dass die 400-er Emulsion in allen Punkten besser als die 100-er ist, und, bezogen auf die Begriffe wie Lichter- und Schattenzeichnung ist das auch richtig. Aber: Der 100-er ist deutlich feinkörniger und schärfer als der 400-er! Und so gibt es, wie immer, einen Kompromiss zu schließen: Wir müssen das Filmmaterial nach den von uns gewünschten primären Eigenschaften aussuchen.


Neue Begriffe:

Stillschweigend sind auf dieser Seite ein paar neue Begriffe eingeführt worden:

Dichte (engl. Density)

An der Y-Achse des Diagramms der Schwärzungskurve steht nicht mehr einfach Schwärzung, sondern Density, und im deutschen würde dort Dichte stehen. Und während in den bisher gezeigten Diagrammen an den Achsen keine Einheiten und Zahlenwerte standen, stehen hier jetzt Werte.

Also: die Dichte ist ein Maß für die Fähigkeit einer entwickelten Schicht, Licht zurückzuhalten. Ganz klar: Je dichter die entwickelte Schicht, umso weniger Licht lässt sie passieren. Zu den Zahlenwerten hier nur soviel, das die Dichte logarithmisch abgebildet wird, und wir deshalb auf den Bereich 100 = 1 bis 103 = 1.000 blicken. Die erreichte maximale Schwärzung lässt also nur etwas mehr als 1/1000 des Lichts durch, das durch den blanken Film geht.


Belichtung (engl. Exposure)

An der X-Achse des Diagramms der Schwärzungskurve steht nicht mehr einfach Belichtungsstärke, sondern lg exposure (Lx s), in anderen Diagrammen steht dort oft

log(I x t)

Lassen wir mal den Logarithmus (log) weg und schauen nur auf das I x t, was nichts anderen heißt als Intensität mal Zeit.

Warum wird hier ein Produkt zweier Größen benutzt? Nun, diese Produktschreibweise ist eine ganz wichtige Formulierung in der Physik. Denn die vollständige Schreibweise wäre

I x t = k

gesprochen: I mal t gleich konstant. Und was bedeutet das? Dreht man an einem Teil (Faktor) dieses Produkts, dann muss man den anderen genau umgekehrt beeinflussen, sonst ist die Bedingung „gleich konstant“ verletzt. Hier heißt das: Wird die Intensität verdoppelt, dann muss man die Zeit halbieren, damit k erhalten bleibt. Und das ist eigentlich jedem Fotografen, der sich noch mit manueller Belichtungseinstellung auskennt, sehr geläufig: Blenden und Verschlußzeiten verdoppeln (oder halbieren) sich bei jeder Stufe. Will man die Belichtung konstant halten und stellt die Verschlusszeit eine Stufe kleiner (z.B. 1/250 => 1/500), dann muss man die Blende um eine Stufe vergrößern (z.B. Von 11 => 8.).

Die Konstante k ist aber leider gar keine Konstante, sondern vergrößert sich für Filmmaterial bei sehr kurzen (< 1/5000) und langen ( > 1 sec) Belichtungszeiten, d.h. die effektive Empfindlichkeit einer photografischen Schicht nimmt ab. Dieses hat der Astronom Schwarzschild entdeckt und deshalb nennt man dieses Verhalten Schwarzschildeffekt. Mehr dazu an geeigneter Stelle.

Die Schwärzungskurve ist also der Verlauf der Schwärzung für viele k. Bei normalen Aufnahmen ist t als Verschlusszeit konstant, so dass das Bild mit Intensitätsunterschieden in der Emulsion "geschrieben" wird.

Und noch ein Blick auf die Achsenwerte unter Verwendung der logarithmischen Eigenchaften: Legen wir mal die nutzbare Grenze für den Übergang der Lichter in die „Überlichter“ auf 1,5, dann liegt der Übergang der Schatten in die „Unterschatten“ für den 100-er bei -3 und den 400-er bei -3,5. D.h. Der Bereich, in dem wir Zeichnung erzielen können, beträgt 4,5 bis 5. Nehmen wir mal den Empfindlichkeitspunkt als 1, dann sind die stärksten noch durchgezeichneten Lichter fast 100,000 mal (105 mal) heller.

Nun benutzen wir in der Fotografie als Stufung lieber Blendenwerte oder, allgemeiner, Lichtwert bzw. EV (Exposure Value). 1 EV = 1 Blende. Dazu müssen die Werte von dekadischen Logarithmen (lg) in binäre Werte (lb) umgerechnet werden, was mit dem Trasformationsmodul 1/lg(2) geschieht. 5 x 3,322 wird dann zu ca. 16,5 EV. Dieser Dynamic Range spielt bei der Beurteilung von Sensoren in Digitalkameras für Viele eine große Rolle (je größer, um so besser), die schon sehr viel älteren Filme sehen im Vergleich so schlecht gar nicht aus.

All die hier dargestellten Zusammenhänge gelten nur für eine Entwicklung, d. h. sie sind immer von den Parametern der Entwicklung abhängig, weil das latente Bild in der Emulsion unsichtbar ist.

Das dies alles so ideal nicht ist, dazu vielleicht später noch ein paar Erläuterungen.




Version: 1.2  Copyright: Rolf Süßbrich, Dortmund, 24. 02. 2019