Was geschieht in einem überlasteten Transformator?

Kurz gesagt: Er wird heiß und geht über kurz oder lang kaputt. Er brennt durch. Das Brennen kann dabei u. U. wörtlich gemeint sein.

Ein paar Grundlagen über Transformatoren:

Transformatoren transformieren ein Wechselspannungsniveau auf ein anderes. Das Transformationsverhältnis ist dabei durch das Verhältnis der Windungszahlen der einzelnen Wicklungen bestimmt. ü = np / ns mit ü = Transformationsverhältnis, np die Anzahl der Windungen der Primärwicklung und ns die Anzahl der Windungen der Sekundärwicklung. ü kann also (theorethisch) jeden Wert > 0 annehmen, in Praxi gibt's natürlich Grenzen bei den Untersetzungen und Übersetzungen.

Tranformatoren übergeben Leistung: Was an P = U*I primär hineingeht kommt zuerst einmal als Paus = Uaus * Iaus auch wieder heraus, abgesehen von den Verlusten, die je nach Größe bis zu 25 % oder mehr betragen können. Aus der Regel mit dem Übersetzungsverhältnis und der Leistungsübertragung folgt eine mögliche Stromabgabe: Iaus = Paus / Uaus.

Folgender Trafo wurde einer Tortur durch Überlastung unterzogen, die man bitte nicht nachmachen sollte! Mein Trafo hat diese Prozedur aber offenbar heil überstanden, weil jeweils nur ein paar Sekunden gequält.

Trafo Typenschild Das Typenschild zeigt uns:

Wir haben einen Trafo mit einem (genormten) Kern EI 48/16,8 für 50 und 60 Hz. Die Primärwicklung für 230 V ist zwischen Pin 1 und Pin 4 angeschlossen, die Sekundärwicklung für 13 V zwischen Pin 9 und Pin 12. Die übertragbare Leistung ist 6,5 VA, die man grob mit 6,5 W gleichsetzen kann. Diese Benennungs-Leistung entspricht genau der für den Kern üblicherweise angesetzten Leistung.
Die Sekundärwicklung ist mit einer Thermosicherung versehen, die bei 70 °C abschaltet (ob sie danach je wieder schließt, ist (für mich) nicht erkennbar, soll aber i. A. so sein.) Der Trafo wurde im Dezember 1997 hergestellt.

Das Streichholz soll einen Größenvergleich erlauben.

Die Quältortur und die Folterinstrumente:

Es wurde untersucht wie der sich der Trafo bei einer weit über 6,5 W (was einem Ausgangsstrom von ca. 500 mA entspricht) liegenden Belastung verhält. Als Last dienen dabei je eine Kfz-Lampe W5W (5 W Lampe für z. B. Standlicht), eine 5 W Sofitte (typischerweise Kennzeichen- oder Innen-Beleuchtung), die hier aber wohl 6 W leistet, eine 21 W Blinker- bzw. Bremsleuchtenlampe und eine 55 W H7 Scheinwerferlampe. Kfz-Lampen sind leicht verfügbare Hochlastwiderstände, wenn auch leider nicht linear. 

Holla! 55 W an einen 6,5 W Trafo? Ein bisschen irre! Deshalb wurde auch die Belastung für nur wenige Sekunden zum Ablesen der Strom- und Spannungwerte gehalten und danach die Verdrahtung sofort 
wieder geöffnet.

Hier ist das Ergebnis:


Ueberlastkurven Vier Kurven sind in Abhängigkeit von gemessenen Strom Ia aufgezeichnet:

Die Dunkelblaue zeigt die gemessen Spannung Ua über der jeweiligen Lampe.

Die Hellblaue zeigt die ermittelte Leistung Pa an der Lampe, d. h. der gemessene Strom ist bereits in Pa = Ua*Ia eingeflossen.

Die Rote zeigt die interne Verlustleistung Pi gemäß Pi = Ia²*Ri

Die Grüne zeigt die Eingangsleistung als Pe = Ie * Ue

Die Einheiten auf der Y-Achse sind in V für die Spannung und in W für die Leistungen abzulesen.

Der grüne Hintergrund zeigt den erlaubten Betriebsbereich bis ca. 500 mA und rechts davon beginnt der eigentlich verbotene Überlastbereich.

Diesen Versuch nicht (oder nur mit Verstand!) wiederholen!

Wie sind die Kurven zu interpretieren?

Der maximal gezogene Strom von 2 A ist das vierfache des Benennungsstromstärke von 0,5 A! Das ist eine
gewaltige Überlast!

Die gemessene (Ausgangs-) Spannung: Die Ausgangsspannung sinkt mit dem abgegebenen Strom beträchtlich und ist bei 2 A auf 5,5 V gesunken. Die H7-Lampe ist dabei mit 11 W gut am Leuchten und erreicht natürlich die Standardleistung von 55 W nicht. Der Widerstand der brennenden Lampe beträgt 2,25 Ohm.

Die fast linear absinkende Ausgangsspannung wird durch den Innenwiderstand der Sekundärwicklung erzeugt, denn gemäß U = Ri * Ia wird eine Gegenspannung erzeugt. Setzt man für Ri = (U0 - U2,0) / I2,0 an, so sieht man, dass Ri sich auf ca. 10 V / 2 A = 5 Ohm berechnet.

Diese sinkende Ausgangsspannung kann für eine elektronische Schaltung
Probleme bereiten! Hat man z. B. eine gemeinsame Motor-Speisung und eine Steuerung über denselben Trafo, dann kann der Motor kurzzeitige hohe Stromspitzen ziehen, die die Versorgungsspannung zusammenbrechen lassen. Ist das Netzteil für die Elektronik nicht ausreichend ausgelegt, dann können die Spannungseinbrüche die Elektronik aus dem Takt bringen.

Die Ausgangsleistung: Diese steigt im grünen Bereich schön mit dem Strom linear an, aber beim Überschreiten des Trafo-Auslegungsbereichs von 0,5 A
geht die abgegebene Leistung fast sofort in eine Sättigungskurve über. Der Trafo "kann dann schon eigentlich nicht mehr!". Die 21 W Lampe wird mit 8,5 W "befeuert", die 55 W Lampe mit 11 W. Das ist keine Überraschung. Der Belastungs-Widerstand im Stromkreis muss den Strom für die Benennungsleistung auf 6,5 W / 13 V = 500 mA begrenzen, und dieser beträgt dann 13 V /  0,5 A = 26 Ohm. Wir haben aber bei der 21 W Lampe schon 12,5 Ohm und bei der 55 W Lampe 2,25 Ohm, in beiden Fällen erheblich weniger. Das ist Überlast pur!

Die interne Verlustleistung: Diese Kurve ist die eine Fieberkurve des überlasteten Trafos! Die dramatische Zunahme der internen Verlustleistung gemäß Pi = Uv*Ia = Ia²*Ri als quadratische Funktion des Ausgangsstroms, zu der sich der mit der Erwärmung steigende ohmsche Innenwiderstand noch hinzugesellt, lässt erkennen, dass schon nach kurzer Zeit die Wicklungen des Trafos wegen der so schnell nicht abführbaren Wärme sehr heiß werden. Der Auslegungsleistung von 6,5 VA Abgabe steht eine Abgabe von 11 W und eine interne Heizleistung von 20 W entgegen! Plus der internen Leistung auf der Eingangsseite, für die auch die quadratische Formel P = Iein2*Ri(ein) gilt! Alles ist auf Überhitzung eingestellt. Der Isolierlack der Wicklungsdrähte könnte verkohlen und leitend werden, was zu Kurzschlüssen führen kann. U. U. hilft dann die Temperatursicherung in der Sekundärwicklung schon nicht mehr. Es kann kokeln!

Die (vom Stromnetz abgenommene) Eingangsleistung: Diese ist schon im Leerlauf merklich und erreicht bei Auslegungsbedingungen schon 11 W. Beim Vierfachen des Auslegungsstroms erreicht auch diese Leistung das Vierfache, also knapp über 40 W. Zu den Konsequenzen siehe die Anmerkungen zuvor.

Will man die obigen Zusammenhänge sehr grob verallgemeinern, so kann man das mit "Vielfachen" machen:

Bei einer Ausgangsstromvermehrung um das Vierfache steigen die abgegebene Leistung auf das Doppelte und die Verlustleistung auf das Vierfache der Normalleistung an. Bei einem 50 VA-Trafo können das schon recht beachtliche Zahlenwerte werden, ungefähr 200 W! 

Was sagt das Ganze?
  • Transformatoren (zumindest die hier beschriebenen Kleinleistungstrafos) sind eigentlich gutmütige Gesellen.
  • Solange sie im Dauerbetrieb nicht überlastet und gemäß den Auslegungsbedingungen gefahren werden, besteht kein Risiko.
  • Kurzzeitiges Überschreiten der Auslegungsrenzen ist tolerabel, so lange kurzzeitig auch wirklich kurzzeitig ist. Wenn dieses in die Auslegung eines Gerätes als Kurzzeitbetrieb einkalkuliert wird, dann ist dieses dem Benutzer mitzuteilen. Es sind maximale Einschaltzeiten und vorgeschriebene Pausen (zum Abkühlen) zu nennen.
  • Jede andauernde Überlastung im Dauerbetrieb kann zu Problemen führen und ist deshalb für Bastler zu vermeiden.

Version: 1.4 Copyright: Rolf Süßbrich, Dortmund, 16.01.2011